Einwohnerversammlung Stegen

Einziges Thema: das Begegnungshaus

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Die gut besuchte Einwohnerversammlung in der Kageneckhalle. Die Experten auf dem Podium: Dipl. Ing. Lioba Fischer vom Planungsbüro Fischer, Architekt Dirk Herlitzius, Rudiger Kunst von der Kommunalen Stadterneuerungs GmbH, Dr. Peter Krimmel, Miteinander Stegen. Ebenfalls auf dem Podium: der gesamte Gemeinderat und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung. Foto: Dagmar Engesser
Eugen Winter
Eugen Winter als Vertreter der Bürgerinitiative für ein Pflegezentrum mit Augenmaß und Initiator des Bürgerentscheids. Er monierte, dass die BI nicht auf dem Podium vertreten war und wies auf eine eigene Informationsveranstaltung der BI hin. Sein Schlusswort: „Das Volk wird entscheiden und es gibt ja auch noch Rechtsanwälte!“ Foto: Dagmar Engesser

Stegen (de.) Der demografische Wandel geht an Stegen nicht vorbei. Die Menschen werden immer älter und pflegebedürftiger, das betreute Wohnen in der Pater-Middendorf-Seniorenwohnanlage reicht als Betreuungsangebot nicht mehr aus. Das sind Tatsachen, die keiner bestreitet. Deshalb plant die Gemeinde Stegen seit 2012 ein Begegnungshaus, in dem ambulante Pflege-Wohngruppen, Tagespflege und barrierefreies, seniorengerechtes Wohnen entstehen sollen. Für eine solche Einrichtung, die sozialen und gesundheitlichen Zwecken dient, wird seit 1993 ein gemeindeeigenes Grundstück im Bebauungsplan Stockacker vorgehalten.
Auf der mit über 300 Zuhörern gut besuchten Einwohnerversammlung am 14. Februar 2017 stellte die Bürgermeisterin Fränzi Kleeb den Bürgern das Projekt und den Planungsstand im Detail vor. Unterstützt wurde sie von Diplom-Ingenieurin Lioba Fischer vom Planungsbüro Fischer, Architekt Dirk Herlitzius, Rudiger Kunst von der Kommunalen Stadterneuerungs GmbH und Dr. Peter Krimmel von Miteinander Stegen.

Bebauungsplanänderung und Bauantrag

Nach jahrelangen, intensiven Planungen ist das Projekt nun so weit, dass der Gemeinderat den Bauantrag genehmigt hat. Dazu musste der Bebauungsplan geändert werden, der aus dem Jahr 1993 stammt.
Ursprünglich waren die Baufenster zweier Gebäudekörper schlauchförmig angelegt und ragten über den östlichen Ortsrand hinaus. Nun sind die Baufenster breiter angelegt und enden baulich vor der bestehenden Bebauung. Grundflächen- und Geschossflächenzahl wurden ebenfalls angepasst, orientieren sich dabei an der bestehenden Pater-Middendorf-Seniorenanlage. Ein zentraler Änderungspunkt betrifft die Dächer. 1993 waren ausnahmslos Satteldächer vorgesehen. Für das Begegnungshaus will man nun ein Flachdach. Diese Änderungen zielen darauf ab, den Wohnwert der künftigen Bewohner zu optimieren.
Die verkehrliche Anbindung läuft über den Stockacker. Noch vor der Wendeplatte soll der ruhende Verkehr in die Tiefgarage abgeleitet werden, so dass die Wendeplatte nicht belastet wird. Oberirdisch sind sechs Besucherparkplätze vorgesehen. Der Stockacker kann Spielstraße bleiben.

Das konkrete Konzept

Im Erdgeschoss werden zwei Pflegewohngemeinschaften mit jeweils acht Bewohnern entstehen. Die Planungen sehen neben den eigenen Zimmern für die Bewohner großzügige Gemeinschaftsräume und geschützte Außenbereiche, die dem Bewegungsdrang dementiell Erkrankter entgegenkommen, vor.
Ebenfalls im Erdgeschoss sind Räume für die Tagespflege und das Netzwerkbüro geplant.
In den Obergeschossen können bis zu neunundzwanzig barrierefreie, seniorengerechte Ein-Personen-Wohnungen entstehen, wobei diese auch zu größeren Wohneinheiten zusammengelegt werden können. Sämtliche Geschosse sind über Aufzüge erschlossen.

Finanzierung

Miteinander Stegen und die Gemeinde haben sich im Lauf der Zeit mit vielen Finanzierungskonzepten auseinandergesetzt. Nachdem die Gründung von Genossenschaft und Bürgerstiftung sich als Sackgassen erwiesen, ist nun die Gründung einer gemeinnützigen GmbH anvisiert, in die sich Gemeinde und Verein zu gleichen Anteilen einbringen. Plan B ist einen Investor für das 6,7 Millionenprojekt mit ins Boot zu nehmen, der nach vorgegebenen Richtlinien baut.

 


Die Einwendungen und Bedenken der Bürgerinitiative für ein Pflegezentrum mit Augenmaß

In der anschließenden Diskussion meldeten sich fast ausschließlich Mitglieder der Bürgerinitiative. Ihre Haupteinwendungen betrafen …

… die Dimension der Gebäude

Mehrere Einwohner brachten zum Ausdruck, dass sie die Dimensionen der Gebäude als zu groß empfinden, sowohl in der Länge als auch in der Höhe. Der dörfliche Charakter Stegens ginge so verloren.
Antwort des Podiums: Architektur ist Geschmackssache, es gab auch Zuhörer, die die Planung als überaus gelungen bezeichneten. Fakt ist, dass die Länge der Gebäude im Vergleich zum alten Bebauungsplan reduziert wurde, sie wurden allerdings breiter. Die Grundflächenzahl mit 0,52 ist jedoch mit der der Pater-Middendorf-Seniorenanlage vergleichbar. Dadurch, dass auf Satteldächer verzichtet wird, kann das östliche Gebäude mit 10,50 Metern sogar deutlich unter den im alten Bebauungsplan möglichen 12 Metern bleiben. Das westliche Gebäude passt sich mit 13 Metern der Umgebungsbebauung an.

… das Flachdach

Stark kritisiert wurde die Bebauungsplanänderung, die ein Flachdach ermöglicht. Ein Flachdach würde sich überhaupt nicht in die Umgebung einfügen. Altbürgermeister Kuster legte deshalb dem Gemeinderat ans Herz, ein Alternativmodell mit flachgeneigtem Dach ähnlich der Schule zu planen.
Antwort des Podiums: Architekt Dirk Herlitzius legte drei Gründe für die Flachdachplanung dar.
Erstens zeige die Erfahrung in der Pater-Middendorf-Seniorenanlage, dass die Nutzung der Appartements mit Dachschrägen eingeschränkt sei. Pflegebetten dort aufzustellen sei äußerst schwierig. Zweitens solle ein zukunftsweisendes Energiekonzept umgesetzt werden und da böten sich Flachdächer an. Solarkollektoren könnten optimal ausgerichtet und in ausreichender Anzahl installiert werden. Ein schräg geneigtes Dach würde das einschränken. Würde ein flach geneigtes Dach der Optik wegen installiert, würde das zusätzliche Kosten verursachen und keinen Nutzen bringen. Drittens reduziere ein Flachdach die Gebäudehöhe deutlich.

… die Verkehrsproblematik

Nach Erfahrungen eines Anwohners, der im Pflegebereich arbeitet, stiege das Verkehrsaufkommen mit solchen Einrichtungen um 27 %. Das würde im Stockacker pro Tag 30 Fahrzeugbewegungen mehr als bisher bedeuten. Seiner Meinung nach schaffe das die Wendeplatte nicht. Hinzu käme, dass keine ausreichenden Stellplätze ausgewiesen seien. Auch hier empfiehlt Alt-Bürgermeister Kuster die Geschossigkeit zu überprüfen. Würde man auf das vierte Geschoss verzichten, würden auch die Stellplätze ausreichen.
Antwort des Podiums: Die Planer gehen davon aus, dass die Stellplätze ausreichen. In die Wohnungen der Obergeschosse werden Senioren einziehen, die – wie es die Erfahrung in der Pater-Middendorf-Anlage zeigt – oftmals kein eigenes Auto besitzen. Die Bewohner der Pflege-WGs sind pflegebedürftig und werden kein eigenes Fahrzeug haben. Die Gäste der Tagespflege werden in zwei Kleinbussen täglich gebracht und wieder abgeholt. Auch das Landratsamt als untere Baurechtsbehörde beanstandet das Verkehrs- und Parkkonzept nicht.

Alternativvorschläge der BI für ein Pflegezentrum mit Augenmaß

Vorschlag 1:
Eugen Winter bezeichnete eine Projektskizze des Vereins Miteinander Stegen als akzeptabel, auf der die Gebäude nach Westen verschoben sind.
Antwort vom Podium: Diese Projektskizze wurde deshalb nicht weiterverfolgt, weil der Kinderspielplatz dann entfallen würde.

Vorschlag 2:
Kürzlich brachte die BI den Kageneckparkplatz als Standort für ein Pflegezentrum in die Diskussion. Verkehrstechnisch sei dies ideal, die dadurch entfallenen Parkplätze könnten in einer Tiefgarage untergebracht werden. Im Stockacker könnte ganz normaler Wohnungsbau realisiert werden.
Offene Fragen: Zu den 89 baurechtlich notwendige Stellplätzen für Kageneckhalle und ÖZ kämen dann noch die für die Einrichtung dazu. Die Kosten einer Tiefgarage in dieser Dimension würden sich auf drei bis vier Millionen Euro belaufen. Das Verkehrsaufkommen im Stockacker wäre mit regulärem Wohnungsbau im Übrigen höher als bei dem geplanten Begegnungshaus.

Vorschlag 3:
Am Abend wurde die Frage in den Raum geworfen, ob die Tagespflege, die derzeit im Bildungs- und Beratungszentrum für Hörgeschädigte untergebracht ist, nicht dort bleiben könne. Außerdem würden dort doch immer mehr Räumlichkeiten frei, ob sich da nicht Möglichkeiten für ein Pflegezentrum ergeben könnten.
Antwort der Bürgermeisterin: Alte Menschen gehören mitten rein in den Ort und sollen nicht irgendwohin abgeschoben werden.

 


 

Schlusswort der Bürgermeisterin

Im Schlusswort warb Fränzi Kleeb noch einmal für dieses Projekt. Keiner, weder sie als Bürgermeisterin, noch die Gemeinderäte hätten sich ihre Entscheidungen leicht gemacht. Berücksichtigt werden müssten Funktionalität und Wirtschaftlichkeit genauso wie die Bezahlbarkeit des Wohnraums. Und natürlich müssten auch sämtliche Interessen der Anwohner mit berücksichtigt werden.

Sie sei jedoch nach wie vor überzeugt davon, dass das Begegnungszentrum dringend gebraucht werde und es sich lohne, für dieses Konzept zu kämpfen. Wenn es dann einmal steht, werden alle sagen, dass es gut ist, es zu haben!

 


Ohne Kommentar

Zitat Fränzi Kleeb auf der Einwohnerversammlung:

„Hier einige Beispiele, die belegen, dass auch die Gemeinde transparent und öffentlich zum Thema Begegnungshaus informiert hat:

  • Juni 2013: der Gemeinderat sagte das Grundstück für das Projekt zu
  • April 2014: Vorstellung einer Planung, die damals schon größere Baufenster vorsah
  • Juni 2015: das inhaltliche Konzept wurde im Gemeinderat vorgestellt und beschlossen
  • Sommer 2016: die vollständige bauliche Planung wurde vorgestellt und vom Gemeinderat gebilligt
  • November 2016: der Bauantrag und die Änderung des Bebauungsplans beschlossen.“

Zusätzlich fanden seit 2012 neun Sitzungen einer Arbeitsgemeinschaft bestehend aus Gemeinderäten und Mitgliedern des Vereins Miteinander Stegen mit dem Ziel der Konzeptentwicklung statt, zu denen öffentlich eingeladen wurde.

Der Verein Miteinander Stegen führte öffentliche Gesprächskreise zu diesem Thema durch. Hinzu kamen schon ab dem Jahr 2011 sehr gut besuchte Expertenhearings, die sich mit dem demografischen Wandel und möglichen Betreuungskonzepten befassten. Außerdem führte Miteinander Stegen zusammen mit der Gemeinde eine große Bevölkerungsbefragung durch, deren Fragebögen an alle Haushalte Stegens gingen, mit dem Ziel der Bedarfserhebung, was Pflege im Alter angeht.

Über all das wurde regelmäßig in den örtlichen Medien berichtet.

 

Die Reaktion der Bürgerinitiative darauf:

„In Wahrheit fand ein Informationsprozess nicht statt. Der Gemeinderat winkte immer nur durch, ohne dass wirklich informiert wurde. Die Mehrzahl der Bürger hat von den Planungen nichts mitbekommen.“ (Zitat Sabine Behrends auf der Einwohnerversammlung)