Wohnen im „Wohngebiet am Kurhaus“ nur für Reiche?

Kirchzarten Wohngebiet
Das neue „Wohngebiet am Kurhaus“ in Kirchzarten. Links die Landstraße L 126, oben die Freiburger Straße. Der dortige Kreisverkehr ist noch nicht beschlossen. Foto/Repro: Gemeinde Kirchzarten

Kirchzarten (de.) Jeder weiß es: Wohnraum im Dreisamtal ist Mangelware, die Mieten sind hoch und Immobilien teuer. Die Ausweisung von neuen Baugebieten ist kompliziert und langwierig.
Viele Wohnungssuchende und Bauwillige setzten ihre Hoffnungen auf das neue Wohngebiet am Kurhaus, das erste größere Wohngebiet nach über zehn Jahren, das Kirchzarten wieder einmal ausweisen konnte. Hunderte von Bewerbungen gingen für dieses Wohngebiet ein.
Der Gemeinderat hat nun vor den Sommerferien die Vergabekriterien für dieses Wohngebiet beschlossen und bei vielen ist die Enttäuschung groß.
Die Grundstückspreise liegen für private Bauherren bei 550,- Euro pro Quadratmeter. Das können sich nur Familien mit sehr gutem Einkommen leisten.

Der Gemeinderat wünsche sich zwar eine soziale Durchmischung des neuen Wohngebiets, warum dann aber Bauträgern, die Gebäude für den Miet- oder Eigentumswohnungsbau errichten, mit dem höchsten Kaufpreisgebot der Vorzug gegeben werde, sei nicht nachvollziehbar, so Dr. Holger Schatz von der Wohn-Initiative Eins-Zwei-Dreisam. Dies treibe die Mieten in die Höhe. Selbst bei Baugenossenschaften spiele der Kaufpreis bei den Vergabekriterien eine gewichtigere Rolle als die kalkulierte Mietpreishöhe oder das Energiekonzept. So fließt konkret die Höhe des Kaufpreises bei den Bauträgern zu 40 % in das Bewertungsschema des Vergabeverfahrens ein. Bei Bau-Genossenschaften sind es „nur“ 20 %, die Miethöhe wird dann mit 10% und die des Energiekonzeptes 8% gewichtet, der Kaufpreis ist also der dominierende Faktor.

Die Wohn-Initiative Eins-Zwei-Dreisam hat sich für ein Grundstück im Wohngebiet am Kurhaus beworben mit dem Ziel dauerhaft bezahlbaren Wohnraum um die 7,- Euro/Quadratmeter zu schaffen. Das Projekt sollte genossenschaftlich verwirklicht werden, der Verbrauch an Wohnfläche pro Kopf soll damit gering gehalten und die Gartenfläche gemeinschaftlich gestaltet werden. Ziel sei es außerdem mit nur einem Auto pro Wohneinheit auszukommen und auch einer Flüchtlingsfamilie Wohnen zu ermöglichen. Holger Schatz befürchtet nun, dass dieses auch von den Gemeinderäten vielgelobte Projekt zu diesen Konditionen nicht verwirklicht werden kann.

Die Wohn-Initiative Eins-Zwei-Dreisam bedauert, dass die Vergabekriterien im Hauruckverfahren ohne öffentliche Diskussion beschlossen wurden und hat dazu einen „Offenen Brief“ veröffentlicht, der auf www.dreisamtaeler.de im Wortlaut nachzulesen ist. Außerdem lädt sie die Bevölkerung zu einer Diskussionsveranstaltung. Gemeinderäte und Verwaltung sind dazu ebenfalls eingeladen.

Der Dreisamtäler erhielt von den Fraktionen und der Verwaltung zu diesem Entscheidungsprozess vorab leider keine Stellungnahme. Man wolle die Veröffentlichung des „offenen Briefes“ abwarten und dann fraktionsübergreifend reagieren.

Allerdings wurden die Vergabekriterien nicht einstimmig beschlossen, es gab zwei Enthaltungen, nämlich die der Grünen. Ulrich Martin Drescher betont in einem Schreiben, dass die Grünen sich immer wieder für ökologischere Zielsetzungen im Baugebiet am Kurhaus eingesetzt hätten. Vor allem wollten die Grünen eine deutliche Ausweitung der Flächen für Baugruppen, Baugemeinschaften und Baugenossenschaften, um Initiativen wie Eins-Zwei-Dreisam, die er ausdrücklich unterstützt. Die Grünen seien hier mit ihren Anträgen regelmäßig gescheitert.

Die Veranstaltung der Wohn-Initiative Eins-Zwei-Dreisam findet am Montag, den 4. September 2017, um 19 Uhr, im Quartierstreff 20 in der Bahnhofstraße 20 statt. Die Vergabekriterien sollen kritisch erörtert werden mit der Frage: Gibt es noch die Chance zur offenen Diskussion und Kurskorrektur.

Lesen Sie zu diesem Bericht den offenen Brief des Wohnprojekts Ein-Zwei-Dreisam