Windkraft in Oberried-Hofsgrund: Offene Briefe im Umlauf

Windkraftanlagen auf dem Schauinsland

Oberried (de.) Die Windkraftnutzung ist und bleibt ein umstrittenes und emotional besetztes Thema. Der offene Brief des Bürgermeisters von Oberried, Klaus Vosberg, der vergangenen Woche im Dreisamtäler veröffentlicht wurde, provozierte mehrere Reaktionen.

Alle offenen Briefe am Ende dieser Seite als PDF

Zur Vorgeschichte:
Windräder im Schwarzwald waren die längste Zeit ein Tabuthema. Das änderte sich erst nach Fukushima als die Bundesregierung unter Angela Merkel den Atomausstieg beschloss und in Baden-Württemberg Grün-Rot an die Regierung kam. Erklärtes Ziel war es, die Energiewende auch mit Windkraft voranzutreiben. Grün-Rot wollte aber auch mehr Demokratie wagen. Wurden bisher in Regionalplänen Vorranggebiete für Windkraft ausgewiesen, verschob die neue Regierung die Planung auf kommunale Ebene. Jede Gemeinde konnte nun in Flächennutzungsplänen Konzentrationszonen für Windräder festlegen. Das wollte auch der Gemeindeverwaltungsverband (GVV) Dreisamtal tun.

Im September 2014 beschloss er deshalb die Offenlage des Teilflächennutzungsplanes Windkraft. Diesem Beschluss ging ein langes Verfahren voraus. Waren ursprünglich sechsundzwanzig Standorte angedacht, wurden nur noch sieben wissenschaftlich detailliert und aufwändig untersucht, allein die Vogelschutzuntersuchungen zogen sich zwei Jahre lang hin. Übrig blieben zum Schluss drei Standorte: Brombergkopf, Streckereck/Hornbühl und Flaunser, allesamt auf Stegener Gemarkung. Mit diesen drei Standorten ging der GVV in die Offenlage.

Eigentlich wollte die Verbandsversammlung auch den Oberrieder Hundsrücken wegen seiner sehr guten Windhöfigkeit als Vorranggebiet für Windräder ausweisen. Von den Experten wurde ihm aber keine Chance eingeräumt, da dieses Gebiet ein EU-rechtlich geschütztes Vogelschutzgebiet ist.
Dieses Flächennutzungsplanverfahren ist nach wie vor nicht abgeschlossen, irgendwann ist eine zweite Offenlage zu erwarten.
Unabhängig von diesem Flächennutzungsplanverfahren läuft derzeit beim Regierungspräsidium das Zonierungsverfahren „Landschaftsschutzgebiet Schauinsland“ mit dem Ziel, möglicherweise doch noch geeignete Flächen für die Windkraftnutzung zu finden. Dem Hundsrücken wird hier jedoch ebenfalls keine Chance gegeben, weil er als hochrangiges Vogelschutzgebiet deklariert ist.

Die Gemeinde Oberried wiederum wollte die K.O.-Kriterien für den Hundsrücken nicht akzeptieren und nahm den Projektentwickler Ökostrom mit ins Boot, der das renommierte Büro Bioplan unter Leitung von Dr. Martin Boschert mit neuen Untersuchungen beauftragte und zwar auf BImSch-Niveau (Bundesimmissionsschutzgesetz) und nach vom Landesumweltamt Ba-Wü vorgegebenen Kriterien. Das Fazit der Studie: aus artenschutzrechtlicher Sicht sei eine Genehmigungsfähigkeit des Hundsrückens gegeben. Das Ziel der Gemeinde ist es, die Windenergieanlangen im Eigentum der Gemeinde zu betreiben und dadurch Einnahmen für den Gemeindehaushalt zu generieren.

In einem an die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer gerichteten offenen Brief wirft Oberrieds Bürgermeister Klaus Vosberg der Regierungspräsidentin vor, die Entwicklung der Windkraft zu behindern.

Das Regierungspräsidium ignoriere die von Oberried vorgelegte Studie und setze stattdessen auf Beobachtungen und Meinungen von Privatpersonen.
Die Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer reagierte ebenfalls mit einem offenen Brief und wies die Kritik Vosbergs grundsätzlich zurück. Das Regierungspräsidium unterstütze den Ausbau der Windkraft; gesetzliche Vorschriften seien aber, wie bei jedem anderen Bauprojekt auch, zwingend zu beachten. Beim Hundsrücken stünden der Windkraftnutzung nach derzeitigem Stand unüberwindbare naturschutzrechtliche Hindernisse entgegen. Das Vorhaben sei bei mehreren Vogelarten nicht mit den Zielen des europarechtlich festgelegten Vogelschutzgebietes und den Belangen des besonderen Artenschutzes vereinbar. Vom Gemeindeverwaltungsverband vorgelegte Gutachten sowie ergänzende Erkenntnisse der Höheren Naturschutzbehörde im Regierungspräsidium hätten dies nicht widerlegen können. Nur ergänzend seien Informationen der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz herangezogen werden, die zwar eine private, aber in Land Baden-Württemberg anerkannte Fachstelle des Nabu sei.

Um die Windkraft rund um den Schauinsland ist der Regierungspräsidentin aber auch ohne Hundsrücken nicht bange. „Wir bieten geeignete Standorte an, um die Energiewende auch im Landschaftsschutzgebiet Schauinsland substantiell voranzubringen“, so Schäfer. Mit der Offenlage der Unterlagen des Zonierungsverfahrens sei bis Anfang Juli zu rechnen.

In einem weiteren offenen Brief der Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwaldes e.V. / Ortsgruppe Hofsgrund weisen die Unterzeichner Lukas Flamm und Klaus Paschenda Vosberg darauf hin, dass deutlich mehr Vogelarten als in den Expertisen ausgewiesen am Schauinsland heimisch seien, die durch Windkraftnutzung gestört würden. Gravierende Auswirkungen hätten Windräder auf die 50.000 Zugvögel, die den Schauinsland überqueren. „Können Sie sich vorstellen, was hier für ein Gemetzel entsteht?“ fragen sie den Bürgermeister. Zudem liege der Hundsrücken im Biospährengebiet. Vosberg selbst habe dafür gesorgt, dass Oberried dort Mitglied wird. Die Ziele des Biospährengebiets seien die Erhaltung der Natur- und Kulturlandschaft sowie die Entwicklung des Tourismus. Die Errichtung von Windrädern in diesem Gebiet widersprächen diesen Leitlinien. „Wozu haben wir eigentlich Schutzgebiete, wenn ausschließlich finanzielle Interessen diese aushebeln können“, fragen sie. Sie weisen weiter darauf hin, dass der Eingemeindungsvertrag die Gemeinde Oberried verpflichtet, unter anderem die Freizeit- und Erholungsfunktion des Ortsteils Hofsgrund zu erhalten und dieser Funktion zuwiderlaufende Einrichtungen zu verhindern. Ihr Fazit: Windkraftanlagen widersprechen diesem nach wie vor gültigen Vertrag.

Auch die Bürgerinitiative zum Schutz des Hochschwarzwalds e.V./Sektion Dreisamtal meldete sich zu Wort. Die Unterzeichner dieses offenen Briefes, Peter Stoll, Werner Hauser und Michael Ripberger, sind der Meinung, dass das 2003 in einem Flächennutzungsplanverfahren von den Verwaltungsverbänden St. Peter und Dreisamtal beschlossene Vorranggebiet auf der Platte der Windkraft genügend substantiellen Raum gebe und nach wie vor rechtskräftig sei. Dieser Beschluss könne von den beteiligten Gemeinden nur gemeinsam aufgehoben, verändert oder ergänzt werden. Das sei nicht geschehen. Das derzeitige Verfahren des Gemeindeverwaltungsverbands mit einem eigenen Flächennutzungsplan – Teilfortschreibung Windkraft sei in ihren Augen gesetzeswidrig. Außerdem werfen sie Vosberg Alleingänge vor, sowohl mit seinem offenen Brief, den er weder mit Gemeinderat noch Gemeindeverwaltungsverband abgesprochen hätte, als mit der vertraglichen Bindung an den Projektentwickler Ökostrom. Vosberg agiere hier ohne Rückendeckung des Gemeindeverwaltungsverbands.

Nach dem „Offenen Brief“ von Oberrieds Bürgermeister Vosberg im Dreisamtäler vom 17.05.2017 (Seite 7)  erreichten uns die folgenden drei weiteren:

20170516 21 Kritik Vosberg Hundsruecken Zurueckweisung

Offener Brief Buergerinitiative

BI Hochschwarzwald

Um diesen Offenen Brief, erschienen am 10. Mai im Dreisamtäler, geht es hier:
Ob Vossberg Windkraft

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin,

ich wähle die Form des offenen Briefes, da ich mich als gewählter Bürgermeister und Kreisrat in der Pflicht sehe, in Zeiten von alternativen Fakten, Politikverdrossenheit und Überregulierung den notwendig gewordenen Schritt an die Landespolitik und in die Öffentlichkeit zu gehen.

Im Jahr 2011 traf ein Tsunami auf Japan, der zum Reaktorunglück von Fukushima führte. Dieses Ereignis führte zum Atomausstieg der Bundesrepublik Deutschland. Der Souverän schien den Turbo in der Energiewende einlegen zu wollen. Das ,,schwarze? Land Baden- Württemberg wurde grün. Die nun grün-rote Landesregierung ordnete die Windkraftplanung auch auf Ebene der kommunalen Flächennutzungsplanung an. Die Kommunen sollten der Windkraft substanziellen Raum geben. Selbstverständlich auf Kosten der Kommunen, ohne finanziellen Ausgleich und mit der Auflage, die gewonnenen Daten dem Land zur Verfügung zu stellen.
Auch die Gemeinden des Dreisamtals machten sich also auf den Weg. Im Rahmen der Flächennutzungsplanung wurden alle potenziellen Standorte analysiert und nacheinander nach den gesetzlichen Vorgaben ausgeschieden. In der letzten Stufe blieben sieben Standorte, von denen aus Sicht der beauftragten Planer drei nach der vorliegenden Datenlage realisierbar wären. Die Gemeinde Oberried, auf deren Gemarkung und Teileigentum einer von vier scheinbar nicht zu realisierenden Standorte lag, ging daraufhin einen vielleicht ungewöhnlichen Weg.
Ursächlich für diesen Weg war weiter, dass der Standort zu den windhöffigsten Standorten in Baden-Württemberg zählt. Verbunden mit der Idee, erneuerbare Energie zu erzeugen, deren Erträge in den Gemeindehaushalt fließen. Vorbild hierfür war die Kommune Heidenrot im Rheingau- Taunus-Kreis.
Was dann geschah ist ursächlich für diesen Brief.

Die Gemeinde Oberried und der Gemeindeverwaltungsverband Dreisamtal (GW) bekundeten ihr starkes Interesse daran, den Standort Hundsrücken für Windenergie zu nutzen und im Eigentum der Gemeinde zwei Anlagen zu betreiben. Um dies zu realisieren, suchte die Gemeinde einen Projektentwickler, der nur im Falle des Erfolges honoriert werden würde. Voraussetzung für die Genehmigung ist, dass der Standort bei der bevorstehenden Zonierung des LSG Schauinsland berücksichtigt wird. Aufgrund der Untersuchungen in der FNP-Planung gab es Bedenken. Zwar wurden von den relevanten Vögeln weder am Standort noch in maßgeblicher Entfernung Horste gefunden, es gab aber einige Überflüge. Um die Datengrundlage, die auf den ersten Untersuchungen basierte, zu verbessern, hat die Ökostromgruppe als Projektentwickler das Büro Bioplan unter der Leitung von Dr. Martin Boschert mit Untersuchungen auf BImSch-Niveau nach den Empfehlungen der LUBW beauftragt. Das Ergebnis war, dass aus artenschutzrechtlicher Sicht, aber auch im Hinblick auf eine eventuelle Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes, das am Rande gerade noch betroffen ist, eine Genehmigungsfähigkeit gegeben ist. Wie mit dem RPF abgesprochen, waren die das Vogelschutzgebiet betreffenden Fragen vorab bearbeitet und übermittelt worden. Das RPF übermittelte daraufhin einen Schnell-Check, in dem neue Bedenken geltend gemacht wurden. Darin wurde unter anderem ausgeführt, dass ,,Gebietskenner“ eine traditionelle Nutzung durch den Wespenbussard behauptet haben. Außerdem kam plötzlich der Rotmilan ins Spiel, verbunden mit der Behauptung, dass bei diesem eine Verletzung des Tötungsverbotes zu erwarten sei. Auch diese Aussagen waren verwunderlich, denn zum einen handelt es sich weder um ein Dichtezentrum und zum anderen ist der nächste Rotmilanhorst mehrere Kilometer entfernt. Auch die Überflüge über den dichten, geschlossenen Nadelwald in 1.200 m Höhe waren eher spärlich. Die Bitte von Dr. Boschert an das RPF, entsprechende Quellen für die obengenannten Thesen zu benennen, wurde bis heute nicht erfüllt, obwohl sowohl er als auch unser Rechtsanwaltsbüro die Beantwortung anmahnten. Hierbei sei bemerkt, dass Kommunen, um die für die Verwaltung eigentlich bindenden Empfehlungen der LUBW einzuhalten, jede Untersuchung an Fachplaner vergeben müssen. Das Land Baden-Württemberg sich aber scheinbar in keiner Weise an seine eigenen Vorgaben halten muss.

Nachdem der vollständige Bericht von Dr. Boschert vorlag, wurde von Seiten des RPF das Gutachten mit dem Argument angezweifelt, dass die Zeit der Nachmittagsuntersuchungen mangelhaft sei. Diese Behauptung ist nicht zutreffend. Laut LUBWRichtlinie sind die Untersuchungen über den Aktivitätsschwerpunkt drei Stunden lang durchzuführen. Auch die Untersuchungen im Rahmen des FNP zeigen, dass der Aktivitätsschwerpunkt in den späten Vormittagsstunden liegt. Die Untersuchungen von Bioplan liefen über vier Stunden und, wenn vormittags ungeeignetes Wetter war, auch nachmittags. Auch die Beobachtungszeiträume wurden gegenüber dem RPF belegt, das darauf in keinerlei Art und Weise einging.
Als neue Steigerung wurden jetzt zum Wanderfalken Aussagen einer Privatperson, dem Vorsitzenden der AG Wanderfalkenschutz (AGW), herangezogen. Dieser behauptet in allgemeiner Form, dass in der Raumschaft Überflüge stattfänden, ohne dies mit Zahlen zu belegen. In einem gemeinsamen Gespräch mit Dr. Boschert führte er zu den LUBW-Erfassungs- und Bewertungshinweisen aus, dass ihn diese nicht interessieren. Als attraktive Bereiche für den Wanderfalken nennt er explizit die Freiflächen auf dem Schauinsland, die als Rast- und Ruhehabitate von Vögeln genutzt werden, die auch als Nahrungsquelle des Wanderfalken dienen. Diese benannten Bereiche liegen außerhalb der vollständig und dicht bewaldeten Zone, in der die WEA errichtet werden sollen. Die Einstellung des Vorsitzenden der AGW gipfelt in der Aussage, dass ansiedlungswillige Vögel nachhaltig gestört wurden, weil Ornithologen im Zusammenhang mit Windkraftplanungen vor Jahren am Ochsenberg in Freiburg Wanderfalken beobachtet haben. Eine These erscheint angesichts von tausenden von Wanderern, die den Bereich durchqueren und der häufigen Beobachtungen der AGW-Mitglieder, absurd bis kurios. Wir waren davon ausgegangen, dass bei der Beauftragung eines renommierten Büros und einer Untersuchung auf Grundlagen von LUBW-Hinweisen auf BImSch- Niveau die anstehenden Fragen geklärt und von der Behörde akzeptiert werden. Zumal die Untersuchungen zwangsläufig sehr viel genauer als die relativ oberflächlichen Beobachtungen zum FNP-Verfahren sind.

Da das RPF darauf verwies, dass man zügig eine Zonierung für Windkraft im Bereich Schauinsland abschließen wolle, setzte es dem GW als planende Körperschaft eine Frist zur Stellungnahme bezüglich des Zonierungsverfahrens. Daraufhin beantragte die Kommune Oberried, dass sich die Verbandsversammlung mit dem Thema befassen möge. Auch hier vor dem Hintergrund, dass das RPF nicht auf die Faktenlage einging. Dies wurde mit Schreiben vom 26.04.2017 noch getoppt, in dem das RPF dem GW folgendes mitteilte: ,,Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass wir mit der Vorbereitung und dem Beginn des Verordnungsverfahrens nicht länger zuwarten können. Insbesondere hinsichtlich des Standortes Hundsrücken wurden in der Vergangenheit immer wieder Zugeständnisse für weitere Untersuchungen, Prüfungen etc. gemacht, die zu einer Verzögerung des gesamten Zonierungsverfahren geführt haben. Eine weitere Verzögerung ist den anderen Gemeinden/Kommunen nun nicht mehr zumutbar.?

In Kenntnis der Ergebnisse, dass eine Zonierung möglich wäre will das RPF Fakten schaffen, die eine Zonierung verunmöglichen!

Sehr geehrte Frau Regierungspräsidentin, Sie sagten in einem am Hundsrücken geführten Gespräch zu, die Gemeinde zu unterstützen. Das Thema Windkraft ist nach wie vor ein emotionales, deshalb will die Gemeinde Oberried eine faire Behandlung. Ich möchte mit einer Geschichte schließen, die ich bereits in Ihrem Haus erzählt habe:

,,Ein junger Ritter machte sich auf den Weg zu einem Berg. Von diesem erzählte man, dass dort ein böser Drache leben würde. Als er an den Berg kam, liefen einige Menschen auf ihn zu. Sie riefen: Dreh um, hier wohnt ein gefährlicher Drache. Der Ritter sprach: Zeigt ihn mir!

Bitte teilen Sie mir mit, welche konkreten Gründe auf Basis der Maßstäbe der LUBW gegen eine Berücksichtigung des Hundsrückens bei der Zonierung sprechen. Zeigen Sie mir den Drachen!

Mit freundlichem Gruß und gespannt wartend

Ihr Klaus Vosberg
Bürgermeister