Zum Leserbrief vom 21.11.2018: Schließung vom Waldkurbad

Zum Leserbrief in unserer Ausgabe am 14. November 2018 erreichte uns folgende Leserzuschrift:

Sehr geehrtes Team vom Dreisamtäler,

auf Seite 3 veröffentlichten Sie in der jüngsten Ausgabe den treffenden Leserbrief von Frau Pfaff; doch der Teilsatz, dass „die nachkomm­en­de kein Interesse mehr hat“ ist nicht zu kurz gegriffen, er weist zudem in die falsche Richtung.

Dass seit Jahren mittelständische, familiengeführte gastronomische Betriebe und immer wieder auch Häuser mit Jahrhunderte alter Tradition, nach und nach ihre Betriebszeiten auf „attraktive“ Stunden reduzieren, zusätzliche Ruhetage einlegen oder mangels Nachfolge gleich wegsterben, ist ein Faktum und auf dem Land eine Katastrophe. Eine Kompensation durch „Neue“, die in Ballungsbereichen ständig aufpoppen, findet nicht statt; die Lücken werden zu flächigen Löchern gastronomischer Versorgung zulasten touristischer Qualität und Anziehungskraft. Die Region um das Dreisamtal ist dank der „Großstadt“-Nähe weit weniger betroffen als bspw. der Schwarzwald oder die Baar . . .
Ich erlaube mir, Ihnen deshalb einen Text zur Schließung beizufügen.

Paul Busse, FR-Waldsee

Text zur Schließung:

Obrigkeitliche Fremdbestimmung überschreitet ‚rote Linie‘

„Hostel&Spa Waldkurbad am Möslepark“ schließt nach 41 Jahren

Nach über vier, an Herausforderungen und Beglückungen reichen Jahrzehnten zieht sich Paul Busse, der Gründer des Waldkurbades, aus dem operativen Geschäft zurück.

Das naturheilkundlich begründete unternehmerische Engagement im Gesundheitswesen aufzugeben ist der seit Jahrzehnten stetig fortschreitenden und jüngst überbordenden behördlichen Gängelung, Fremdbestimmung und branchenübergreifender Diskriminierung geschuldet, die sich bis in den privaten Bereich hineinzieht.

Das über Jahrtausende gewachsene naturheilkundliche Kur- und Bäderwesen versteht Busse als ein heute verkanntes, durch flächenbrandähnlicher Kurzsichtigkeit in Dornröschenschlaf versetztes Schatzkästlein. Er steht dem menschenzugewandten Denken der Wirtschaftsökonomen wie Eucken und Ehrhard nahe, und ist und nach wie vor und mehr denn je vom freiheitlichen Geist der »68er« und den Badischen Verfassungen von 1919 und 1947 beseelt.

Mit dem 2012 eröffneten Hostel erlebte das seit 1977 bestehende Unternehmen einen unerwarteten Aufschwung und der Badebereich, zuvörderst das gelebte ‚kunstgerechte‘ Saunabaden, eine überregionale und internationale Wertschätzung. Dazu ein Team von dem Betrieb zugewandten Mitarbeitern und ehrenamtliche Engagements, auch in der Kammer. Von dieser Seite des täglichen Schaffens und Gestaltens her ist ein „Aufhören“ nicht erklärbar, noch weniger vom „Alter“. Obwohl: Mit den Jahren erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß ein sog. Schlüsselerlebnis einen Abwägungsprozeß auslöst . . .

Es sind die sich permanent verschlechternden strukturellen Rahmenbedingungen, die man wieder und wieder wegsteckt und die seriöses Weiterarbeiten vergällen — steter Tropfen höhlt den Stein. Die immer einengenderen zu beachtenden und einzuhaltenden und oft genug unbemerkt novellierten gesetzlichen Regelungen, die es in der aktuellsten Form umzusetzen gilt, nehmen an Zahl und Tiefe, sprich Komplexität, zu. Von kleinen Mittelstandsunternehmen können sie weder überschaut, geschweige denn verstanden und mit der geforderten Sorgfalt umgesetzt werden, trotz aller Hilfen und Unterstützung durch wohlmeinende, meist staatsergebene Berufsverbände u.a..

Um die diffusen Branchenbetroffenheiten zu profilieren — allgemein wird das Zurückstecken und Sterben kleiner Betriebe halbherzig zwar bedauert — bedarf es der Personifizierung und ehrlichen Hinterfragung der Gründe. Meine Schau als kleiner mittelständischer Unternehmer erfaßt selbst die zwei ‚eigenen‘ wirtschaftlichen Branchen betreffenden Vorschriften nur segmental, die folgend dargestellten Sachverhalte vermitteln deshalb nur einen ansatzweisen Blick auf den Eisberg.

Tagtägliche Einschränkungen und Demütigung

Fortlaufende, teils täglich mehrfache Protokollier- und hochdetaillierte Aufzeichnungspflichten belasten den Arbeitsablauf erheblich. Und teils willkürliche behördliche Umsetzungen rauben zunehmend ‚die Luft zum Atmen‘ und (innere) Qualität und Freude unternehmerischen Handelns. Davon weiß besonders das Gastgewerbe ein Lied zu singen:

Unangekündigte Kontrollen der Hygiene des Wirtschaftskontrolldienstes dienen der Allgemeinheit wie letztlich auch dem Wirt. Anders das überraschende Anrücken von martialisch bewaffneten Zolleinheiten oder Steuerfahndung, die binnen Minuten den laufenden Hotel- und Gastbetrieb auf den Kopf stellen und sogar Gäste mit in Kontrollen einbeziehen. Der Unternehmer wird wie ein Schwerverbrecher behandelt. „Was er angestellt hat? Vermutlich hat er sich lediglich für die falsche Branche entschieden.“ résumiert der branchenkundige Journalist Thomas Hack und spricht von „behördlichen Schikanen“, denen die Unternehmer im Gastgewerbe durch nichts zu rechtfertigender Gesetzeslage ausgesetzt sind.

Der Generalverdacht, dem das durch abwegige Vorschriften ohnehin gebeutelte Gastgewerbe wie gottgegeben untersteht, wurde in diesem Jahr noch durch die nach dem Zufallsprinzip durchzuführende sog. ‚Kassenschau‘ der Finanzbehörde, die der Prüfer eigenhändig sofort in eine Vollprüfung ausweiten kann, verschärft. Auch wenn solche staatlich gewollten Übergriffe in der Fläche selten vorkommen, hängen diese die Psyche erheblich belastenden Damoklesschwerter über jedem im Gastgewerbe Tätigen. Solcher Umgang mit meist ‚kleinen‘ Unternehmern ist nicht nur ein Beleg für den fehlenden Realitätssinn. Es belegt, wie wenig Wertschätzung Behörden und Politiker — entgegen ihrer Sonntagsreden — dieser unter ohnehin schwierigen Bedingungen arbeitenden Branche tagtäglich entgegenbringen.

Bettensteuer — kommunal betrugsbehaftete Zusatzbelastung in Freiburg

In Freiburg schafft seit 2014 die „Bettensteuer“ genannte Übernachtungssteuer nicht nur Verdruß, die Satzung der Steuer ist vorsätzlich so komplex gestrickt, daß die Mehrheit der satzungsgemäß steuerbefreiten Gäste dennoch mit Steuerabzug belastet werden. Das stadteigene Buchungsportal läßt die in eigener Satzung verbrieften Steuerbefreiung nicht einmal zu und unterstützt den strukturell vorgegebenen Betrug am Gast. Besonders deutlich zeigt sich der Satzungsbruch gegenüber den steuerbefreiten Jugendlichen in der ‚gemeinnützigen‘ Jugendherberge: Von ihnen wird die Steuer stillschweigend eingezogen. Diese betrugsbehaftete Struktur zwangsweise umzusetzen ist an physischer und psychischer Demütigung des Beherbergungsgebers nicht zu überbieten und wirkt traumatisierend: Zur Freude bestimmter Kreise im Rat und Verwaltung versorgen die Hoteliers die Stadt als ‚durchlaufenden Posten‘ ‚legitim‘ mit illegal beschafftem Geld.

In seinem Urteil vom 11.06.2015 (2 S 2555/13) hebelt der VGH Baden-Württemberg die in der Satzung verbriefte Befreiung für beruflich bedingte Übernachtungen und Personen unter 18 Jahren aus, wenn „einheitliche“ Übernachtungspreise ausgewiesen werden, die dann alle steuererheblich sind. „Daß … damit auch Nicht-Steuerträger faktisch belastet werden, steht dem nicht entgegen“. Dieser gemeinderatgewollte kunstgriffig an den Hotelier delegierte Betrug am Gast, „zwar ungleiche Sachverhalte . . . wirtschaftlich gleich zu behandeln“, entlastet das Gericht mit dem Hinweis, daß dies einem „insoweit nicht an Art. 3 GG gebundenem Privatunternehmen nicht verboten ist“. So legitimiert der VGH ein betrugauslösendes Geschäftsmodell der öffentlichen Hand, welches privatwirtschaftlich eher sanktioniert werden würde.

Meist von Deutschland initiierter EU-Regelungswahn

Völlig wirklichkeitsfremd und mit für kleinere Beherbergungsbetriebe der Gefahr von Existenzvernichtung stellt die im Juli eingeführte Pauschalreiserichtlinie eine Schikane dar.

Sie folgte der seit Ende Mai ob ihres dramatischen Rechtssicherheitsdefizits flächendeckend für Unverständnis sorgenden Datenschutzgrundverordnung. Sie ist Ausdruck eines weiteren, in nicht überschaubaren und realitätsfernen, verharmlosend „Richtlinien“ genannten EU-Gesetzen gegossenen Regulierungswahns, der von Bürgern und Gesellschaft nicht mehr verstanden wird. Bspw. stellt sich der badenwürttembergische Minister für Justiz, Europa und Tourismus, Wolf, beschwichtigend hinter die EU-Pauschalreiserichtlinie und nennt diese Auswüchse, die empfindlich spürbar (kleine) Unternehmen und in der Folge Bürger belasten, den Irrsinn beschönigend wie verharmlosend, „vollharmonisierende Natur der Richtlinie“. Die letzte große ‚Vollharmonisierung‘, damals ‚Gleichschaltung‘ genannt, endete ernüchternd am 8. Mai 1945.

Vor der Entwicklung zu einem bürokratisch manipulierten Europa warnte Prof. Ludwig Erhard schon 1955 im Kapitel „Europa“ in seinem Bestseller „Wohlstand für Alle“ und belegte die Berechtigung seiner Sorge an bereits damals in diese verhängnisvolle Richtung gehenden erkennbaren Entwicklungen. Für Erhard lag die Gefahr darin, daß Europa letztlich an solchem Dirigismus scheitert.

Für Erhard beruhen solche Harmonisierungsforderungen auf einer „völlig illusionären Verkennung ökonomischer Gesetze und Tatbestände, aber sie charakterisiert zugleich eine geistige Haltung, die sich in einem integrierten Europa unter keinen Umständen durchsetzen darf, wenn nicht menschliche Initiative und schöpferische Kraft, ja das Leben selbst, erstickt werden sollen.“ Wohlbegründet nennt er die Harmonisierungstheorie einen „Wahn“.

Fazit

Mit Blick auf mein familiäres Leben und dessen Qualität als gern Verantwortung tragender Unternehmer wie als beseelter Mensch aus Fleisch und Blut ist diese Zäsur durch Betriebsaufgabe als ein Akt der Abkopplung vom übergriffigen Staat für mich die Entscheidung der Wahl.

Paul Busse