Flüchtling aus Kirchzarten abgeschoben

morgens um 5 vom Arbeitsplatz weg

Ein ganz normaler Dienstagmorgen um 5 Uhr Anfang August. In einer Bäckerei in Kirchzarten herrscht Hochbetrieb. Plötzlich fahren zwei Streifenwagen vor. Sie verhaften Tata L. (Name geändert) an seinem Arbeitsplatz.

Was hatte er verbrochen?

Er ist in Gambia geboren. Hat sich nach monatelanger, riskanter Flucht bis Deutschland durchgeschlagen und es gewagt, hier Asyl zu beantragen. Sein Antrag wurde abgelehnt. Er wurde von der Polizei an seinem Arbeitsplatz abgeholt, um abgeschoben zu werden.

Flüchtlinge aus Gambia müssen damit rechnen, denn nur 2,7% der Asylantragsteller aus Gambia erhielten 2015 die Anerkennung. Die Quote für ganz Afrika liegt bei 50,1%, was vor allem an der hohen Anerkennungsquote und der großen Zahl der Flüchtlinge aus Eritrea (Anerkennungsquote 92,1%) liegt, von wo knapp ein Viertel der Flüchtlinge aus Afrika kommt. Die Anerkennungsquote für Flüchtlinge aus anderen afrikanischen Ländern ist deutlich niedriger. Besonders niedrig ist sie bei Gambia.

Dass dies so ist, versetzt Kenner der Verhältnisse im kleinsten Land Afrikas in Erstaunen.

Gambia hat sich in den letzten Jahren unter Präsident Jammeh zu einer der repressivsten Diktaturen Afrikas entwickelt. Amnesty International und der UNO-Menschrechtsrat beklagen willkürliche Verhaftungen, Hinrichtungen ohne Urteile, systematische Folterungen, verschwundene Menschen, deren Aufenthalt nie oder erst nach Monaten geklärt werden kann.

Am 23. August 2012 beispielsweise wurden neun politische Häftlinge in Todeszellen standrechtlich erschossen. Seit dem Jahr 2014 häufen sich Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen, u.a. über Folter, außergerichtliche Hinrichtungen und die Verfolgung von Homosexuellen. Präsident Jammeh bezeichnete Homosexuelle als „Ungeziefer“, das man „töten solle, wie Moskitos“, er werde Homosexuellen „eigenhändig den Hals durchschneiden“.

Die EU und die USA froren daraufhin ihre wirtschaftlichen Förderprogramme für Gambia ein. Nach einem gescheiterten Putschversuch am 30. Dezember 2014 verschärfte sich die Repression. Jammeh beschuldigte ausländische Regierungen, die Verschwörer unterstützt zu haben. Im Juni 2015 wurde die ständige EU-Vertreterin ohne Angabe von Gründen des Landes verwiesen.

Es existiert keine unabhängige Gerichtsbarkeit. Die Pressefreiheit ist massiv eingeschränkt. Eine Reihe von Führern der Oppositionspartei UDP (United Democratic Party) befindet sich in Haft, trotz eindringlicher Appelle des UNO-Generalsekretärs Ban Ki-Moon, sie freizulassen. Es ist zu befürchten, dass sich die Situation im Lande in den kommenden Monaten zuspitzen wird, da Präsident Jammeh sich Anfang Dezember 2016 zum fünften Mal zum Präsidenten wählen lassen will. Bereits jetzt droht er der Opposition und Angehörigen der Ethnie Mandinka mit Verfolgung und Ausrottung.

Trotz dieser Situation droht den meisten Flüchtlingen aus Gambia die Abschiebung, meist obwohl sie lange in Deutschland lebten.

Tata L. war fast zwei Jahre in Deutschland. Er war kein Engel. Anfangs hatte er, wie viele Flüchtlinge aus Afrika, einige Schwierigkeiten. Er ist in Gambia nie zur Schule gegangen, war praktisch Analphabet und hatte keine Deutschkenntnisse. Die in Gambia und vor allem auf der Flucht erlernten Überlebensstrategien kollidierten mit den deutschen Gewohnheiten und auch mit dem deutschen Recht. Es dauerte Monate, bis er sich eingewöhnt hatte.

Aber schließlich gelang es, er begann Deutsch zu lernen, passte sich der deutschen Arbeitsdisziplin an.

Nach einem Praktikum bekam er die Chance auf einem Teilzeitjob in einer Bäckerei. Sein Arbeitgeber brauchte ihn dringend und war mit seiner Arbeit zufrieden. Deshalb sollte er ab August eine Vollzeitbeschäftigung erhalten.

Endlich, nach fast zwei Jahren in Deutschland, hätte Tata L. auf eigenen Beinen stehen können. Er hatte den Wunsch, Deutschland die in diesen zwei Jahren erhaltene finanzielle Hilfe durch fleißige Arbeit und Steuerzahlung zurück zu geben. Ab August hätte er damit beginnen können.

Genau da wurde er abgeschoben.

Die ihn betreuenden Flüchtlingshelfer versuchen seit der Abschiebung Kontakt mit ihm aufzunehmen; sie sorgen sich um sein Schicksal. Der Arbeitgeber sucht händeringend Ersatz für einen dringend benötigten Mitarbeiter.