Bebauung Gartenstraße Zarten

Einwohnerversammlung

Das Schaugerüst für die Bebauung Gartenstraße am Ortseingang Zartens
Das Schaugerüst für die Bebauung Gartenstraße am Ortseingang Zartens Bild: Dagmar Engesser

Kirchzarten (de.) Am vergangenen Mittwoch fand in Zarten eine mit weit über hundert Interessierten besuchte Bürgerinformationsveranstaltung zum Thema „Bebauung Gartenstraße“ statt. Dort sind Ge­bäude geplant, in denen auch Flüchtlinge leben sollen.

Die Vorgeschichte

Vor einem Jahr kamen über eine Million Flüchtende ins Land, die damals in erster Linie von den Land­kreisen in Übergangswohnheimen untergebracht wurden. Aner­kannte Flüchtlinge werden dann den Kommunen zugewiesen und für 2017 erwartet Kirchzar­ten etwa 80 Flüchtlinge, die unter­gebracht werden müssen. Die Ge­meinde selbst besitzt 44 gemeindeeigenen Wohnungen und es gelang ihr, weitere Wohnungen und Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen anzumieten. Diese verteilte Unterbringung erweist sich für die Integration als ideal. Weil im Dreisamtal Wohnraum jedoch extrem knapp ist, will die Gemeinde weitere gemeindeeigene Wohnungen bauen. Aus Sicht der Gemeinde bietet sich das Grundstück Gartenstraße am Ortseingang Zartens an. Es gehört der Gemeinde und darf nach § 34 der Bauordnung bebaut werden: es muss sich in Kubatur und Höhe der Umgebungsbebauung anpassen.

Transparente Politik

Ziel der Gemeinde ist eine qualitätsvolle Bebauung und keine Bebauung „von der Stange“, wie Bürgermeister Hall ausführte. Deshalb wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Die Modelle des Wettbewerbs waren mehrere Tage lang in der Talvogtei öffentlich zu besichtigen und ein Preisgericht, dem externe Experten und auch Mitglieder des Bürgervereins angehörten, kürten einen Siegerentwurf. Die Thematik wurde außerdem mehrfach auf Einwohnerversammlungen und Bürgerinformationsveranstaltungen diskutiert. Inzwischen wurde auf dem Baugelände auch ein Schaugerüst erstellt, das die Dimensionen der Gebäude realistisch darstellt.

Der Siegerentwurf und die Überarbeitung

Der Siegerentwurf des Planungsbüros Stocker besteht aus vier, versetzt angeordneten dreigeschossigen Gebäudekörpern, die mit den Pultdächern und den Attikageschossen sowohl den Baustil des Wohngebiets „In den Aumatten“ als auch der Zardunaschule aufnehmen. Ursprünglich hätten bei diesem Konzept 70 Personen dort untergebracht werden können. Schon das Preisgericht regte aber an, die kleineren nach Norden versetzten Gebäudeteile um ein Geschoss zu reduzieren. Mit dieser Variante reduzierte sich die Personenzahl auf 55.
Ursprünglich sollten die Gebäude in den ersten Jahren ausschließlich zur Unterbringung von Flüchtlingen dienen. Da die Gemeinde aber bei der Akquirierung von Wohnraum bisher erfolgreich war, strebt man nun an, einen Block des Gebäudekomplexes für normalen sozialen Wohnungsbau zu nutzen, den anderen für Flüchtlinge. Im sozialen Wohnungsbau entstünden fünf Wohnungen, in denen bis zu dreiundzwanzig Personen leben könnten. Für die Flüchtlinge könnten in sechs Wohnungen 32 Wohnheimsplätze entstehen. Insgesamt wären das elf Wohnungen mit 55 Bewohnern.

Anfänglich wollte die Gemeinde auf ein Stellplatzkonzept verzichten, in der Annahme, dass Flüchtlinge keine eigenen Fahrzeuge besitzen. Inzwischen ist sie von der Notwendigkeit eines Parkkonzepts aber überzeugt. Die Planer stellten hier zwei Varianten für Stellplätze vor: entweder südlich des Radwegs im Wall zur Höllentalstraße hin oder nördlich der Baukörper, die dann weiter nach Süden gerückt werden müssten. Das Müllkonzept und die zu geringe Anzahl an Fahrradabstellplätzen sind ebenfalls aufgrund geäußerter Bedenken in der Überarbeitung. Diese Änderungen wurden sowohl von Bürgermeister Andreas Hall als auch von den Planern des Architektenbüros Stocker Dewes erläutert.

Widerstände von der In­ter­ess­ensgemeinschaft Gar­ten­­straße

Diese Erläuterungen überzeugten die Anwohner der Gartenstraße, die sich zur Interessensgemeinschaft Gartenstraße zusammengeschlossen haben, allerdings nicht. Bei beiden Stellplatzvarianten seien Konflikte mit Radfahrern vorprogrammiert. Kritisch wurde gesehen, dass im bestehenden Wohngebiet ein Stellplatzschlüsse von 1,5 gelte, für die neue Bebauung nur 1,0. Schon jetzt seien in dem ganzen Quartier mit Wohngebiet und Schule Parkplätze Mangelware und der Schulbus hätte oft Schwierigkeiten überhaupt durchzukommen. Der Gemeinde wurde außerdem vorgeworfen, Baurecht zu brechen und vorgeschriebene Abstände nicht einzuhalten.
Die hauptsächliche Kritik betraf allerdings die Dimension des Bauvorhabens, die als „blanker Wahnsinn“ bezeichnet wurde. Mit solch einer dichten Bebauung und Belegung entstünde ein sozialer Brennpunkt, der die Gemeinde noch Jahre beschäftigen würde. Bernd Wiese von der IG betonte, dass die Anwohner der Gartenstraße nichts gegen eine Bebauung hätten, das Problem sei die starke Verdichtung, so könne Integration nicht funktionieren. „Sie kommen uns entgegen, wenn Sie reduzieren!“ so Wiese und großen Applaus erhielt die Wortmeldung „Zwei statt der vier Gebäude tun’s doch auch!“ Massiv wurde auch der Vorwurf geäußert, dass auf die Bürger nicht gehört worden sei und ihre Ängste und Befürchtungen nicht ernst genommen worden wären.

Der Bürgerverein Zarten

Marco Hauser betonte in seinem Statement, dass man nicht sagen könne, die Gemeinde hätte auf vorgetragene Kritik nicht reagiert. Zentrale Punkte seien aufgegriffen und verändert worden, so der jetzt anvisierte Belegungsmix mit 50 % sozialem Wohnungsbau und 50% Flüchtlingsunterbringung. Auch dem Wunsch, die Höhe der nördlichen Baukörper und damit die Belegungsdichte zu reduzieren, kam man nach. Positiv sei für ihn auch, dass die Stellplätze nun in der Planung mit drin sind, wenngleich er auch bedauert, dass es nicht die 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit sind. Der Entwurf sei kein schlechter Entwurf, auch wenn viele ihn als „scheußlich“ bezeichneten. Er sei tragbar für Zarten, dazu stehe er.
Auch er mahnte an: „Herr Bürgermeister, nehmen Sie uns ernst! Wir kriegen die Integration hin, aber nur gemeinsam! Die Gemeinde muss bei der sozialen Betreuung mit ins Boot, das kann nicht nur Ehrenamtlichen übertragen werden!“

Der Bürgermeister

Bürgermeister Hall legte dar, dass er sehr gut verstehe, dass die Situation für die direkten Anwohner schwierig sei. In ihrem Interesse läge es, die Bebauung so locker und mit so wenig neuen Nachbarn wie möglich zu realisieren. Diese Sichtweise könne die Gemeinde sich aber nicht zu eigen machen, sie sei auch in der Pflicht, bezahlbaren Wohnraum für Bürger zu schaffen, die sich kein Eigenheim leisten können. Dies sei kein Wunsch, dies sei eine Pflicht!
Würde die Gemeinde das Grundstück verkaufen, könnte ein privater Investor dort wesentlich dichter bebauen als es die Gemeinde jetzt plant und dieses Baurecht wäre sogar einklagbar.
Mit dem Ausschreiben eines städtebaulichen Wettbewerbs schlug die Gemeinde bewusst einen anderen Weg ein, was zeigt, dass die Gemeinde hier nicht das Maximum ausreizen will. Der Siegerentwurf war im Übrigen der mit der niedrigsten Bewohnerzahl. Die Gemeinde könne nicht nur nach dem Motto „so wenig wie möglich“ entscheiden, sondern fragen: „was ist verträglich und auch noch wirtschaftlich“. Und wenn man die gemeindeeigenen Häuser der St. Peter Straße und Bundesstraße zum Vergleich heranzieht, so seien dort dreizehn Wohnungen auf weniger Grundstücksfläche untergebracht.
Er stellte auch klar, dass die Gemeinde sich an das geltende Baurecht halte. Es gebe keine Ausnahmeregelungen für öffentliche Bauträger.
Sonderregelungen gebe es bei den Stellplätzen. Die Landesbauordnung fordere 0,8 Stellplätze pro Wohneinheit, die Gemeinde Kirchzarten fordere seit Jahren 1,5 – was nach dem Gesetz möglich ist. Ausnahmeregelungen gibt es bei Seniorenwohnanlagen oder eben beim sozialen Wohnungsbau: wer sich zwei Autos leisten kann, ist kaum auf eine Sozialwohnung angewiesen.
Hall wies weiterhin darauf hin, dass der Gemeinderat beschlossen hat, eine Sozialarbeiterstelle zu schaffen.

Wie geht’s weiter

Der Gemeinderat berät nun den überarbeiteten Entwurf und wird eine Grundsatzentscheidung in Bezug auf die Stellplätze fällen. Dann erst wird die Planung zur Bauantragsreife gebracht. Klar sei, dass es bei diesem Thema um Interessenskonflikte geht und es keinen Konsens geben wird.